September 2024
So.01Sept.17:00Mo.30(Sept. 30)23:50Jacqueline Borner
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Malerei, Acryl auf Leinwand Lebenslauf Das Entdecken der Fülle in der Essenz Spurensuche im künstlerischen Werk von Jacqueline Borner Ist es der Blick durch das Mikroskop auf der Suche
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Malerei, Acryl auf Leinwand
Das Entdecken der Fülle in der Essenz
Spurensuche im künstlerischen Werk von Jacqueline Borner
Ist es der Blick durch das Mikroskop auf der Suche nach Urstrukturen im tiefen Inneren von kleinstem Leben auf der Erde? Oder doch der Blick hinaus in die unfassbare Weite der Galaxie auf der Reise zu interplanetaren Dynamiken?
Laufe ich durch die Ausstellung oder blättere ich durch den Œvrekatalog der letzten Jahre, dann finde ich keine eindeutige Antwort auf diese Fragen zu Jacqueline Borners Malerei. Aber was mir sofort auffällt, sind die unbeschwerte Farbenfreude und die organisch-abstrakten Strukturen, die in all ihren Werken zu finden sind und mich in ihrer Mehrdeutigkeit auf Spurensuche einladen.
Gegenständlich wiedererkennbare Motive sind rar. Wenn sie sich zeigen dann sind es kleinere Tiere wie Fische, Quallen und Seesterne. Oft jedoch bleibt die Leinwand ungegenständlich farbig, was hingegen alles andere als langweilig ausfällt. Denn Kreise, Ringe, Ovale und andere runde Formen erhalten einen würdigen Auftritt in Borners Bildern.
Auch sorgen zahlreiche Gegensätze für ein interessantes Spannungsfeld: Der Ausschnitt oszilliert zwischen Einblick und Überblick; die Oberfläche zwischen undurchdringlich und aufbrechend-transparent; die Farben zwischen ausdrucksstark und zart schimmernd; die Komposition zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen engmaschig, koordiniert, regelmässig, ornamental und lose, offen, entropisch, frei. Die Gestik offenbart feine Linien mit Kreide, exakte Konturen von stempelartig eingesetzten Gegenständen, einen flächigen Auftrag mit dem Spachtel und nur wenige Pinselstriche, zuweilen als Tupfer zu erkennen. Der Charakter zeigt sich mal verträumt, verspielt und zufällig, um sich dann wieder wesenhaft, bedeutsam und gewichtig zu manifestieren. Der zielorientierte Verstand scheint ebenso am Werk zu sein wie die nichtlineare Intuition.
Folge ich diesen Spuren, verfestigt sich meine Ahnung zunehmend, dass die Künstlerin gekonnt auf der Klaviatur des kreativen Forschens zu spielen vermag. Bei Ihrer Entdeckungsreise verfolgt sie zwei gegenläufige Methoden:
Zum einen betreibt Borner eine aufwändige Oberflächengestaltung mit vielen Farben, Schichten, Linien und Strukturen. Sie trägt Schicht um Schicht Acrylfarbe auf und feiert die Malerei mit pastosem Farbauftrag und expressiver Vielfarbigkeit.
Fülle wird erfahrbar.
Zum anderen trägt die Künstlerin Farbe ab, kratzt Oberflächen auf, schleift stellenweise ganze Malschichten ab und legt dadurch verborgene Tiefen von Materie frei. Auf diese Weise entfaltet sie ein Vordringen, Suchen und Aufzeigen hinter der Fassade, hinter dem Offensichtlichen.
Essenz wird spürbar.
Die zum Teil raumgreifenden Formate erobern mein Sichtfeld, sobald ich nähertrete, und bestätigen das bisher Vermutete: Hier geht es um etwas Bedeutendes. Die Malerei von Jacqueline Borner entdeckt komplexe, lebensdienliche Prozesse als wäre sie eine freie Veranschaulichung von physikalischen Abläufen wie Osmose oder Oxidation. Dabei lockt sie mich auf leichtfüssige Art an einen Ort, wo das Unverrückbare zu Hause sein könnte, das Absolute, das Wahrhaftige – die Essenz des Lebens vielleicht?
Nach meiner Spurensuche bin ich mir gewiss, ein anregendes Feld gefunden zu haben, wo sich niemand Geringeres als das Werden und das Sein die Ehre geben und sich auf einen Tanz einlassen. Bei diesem Tanz tritt mal das neugierige Suchen, mal das geduldige Verweilen in den Vordergrund. Ein Aufbrechen und Vorwärtskommen wechselt sich ab mit einer zeitlosen Ruhe und einem Angekommensein. Diese austarierte Spielerei gleicht einer ausgeklügelten Balance, die nicht mit lautem Drama und heftiger Geste protzt, sondern von Lebenserfahrung und einem Hauch Melancholie und einer Prise Witz geprägt dezent zum Staunen, Schmunzeln und Mitforschen einlädt. Jacqueline Borner ist auf ihrer Expedition schlicht dem Selbst, dem Anderen und dem Universum auf der Spur. Sie verweist liebevoll auf das Grössere Ganze, ohne moralisierend oder schwer zu werden, sondern nach Stürmen in sich ruhend, mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Schalk in den Augen dem Wesentlichen entgegen zu blicken.
Andrea Saladin, Kunsthistorikerin, im März 2023
Weitere Infos: www.jacqueline-borner.ch